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25.08.2024 | Viel Nichts im Lower Mississippi Delta


Unter dem Begriff Lower Mississippi Delta hatte ich mir immer das Mündungsgebiet des Mississippis in den Golf von Mexiko vorgestellt. Allerdings heißt so eine deutlich weitläufigere Region, die sich bis viele hunderte Kilometer entfernt vom Meer zu beiden Seiten des Mississippi Rivers erstreckt und große Teile des Bundesstaates Mississippi, aber auch von Tennessee und Arkansas umfasst.


Das Gebiet ist sehr fruchtbar, Landwirtschaft war und ist noch immer der größte Wirtschaftszweig. Das Lower Mississippi Delta ist durchzogen von einer Vielzahl kleinerer und größerer Bäche und Flüsse. Einer davon ist der Sunflower River, der Mississippi von Nord nach Süd durchquert und in den Yazoo River, einem Zufluss des Mississippi Rivers, mündet. Beim Ort Kinlock fließt er durch den gleichnamigen Sunflower County - Farmland, fern von irgendwelchen größeren Ortschaften.


Auf einer historischen Karte aus dem Jahre 1940 habe ich dort New Berlin Landing entdeckt (Hi-Res Interactive Map of Baird, Sunflower County, MS in 1940 | Pastmaps). Unweit davon Hollywood Landing, Gumwood und Elmwood. Auf späteren Karten sind diese allesamt nicht mehr aufgeführt. Dort wo das ehemalige New Berlin Landing gelegen haben soll, befindet sich heute auf googlemaps ein Feld, etwas Buschwerk und das Flussufer.  

Natürlich musste ich dorthin und mir selbst einen Eindruck verschaffen. Ich war noch nicht in Mississippi, Bundesstaat Nr. 42 für mich.


Vom Flughafen Memphis sind es ca. drei Stunden Fahrt. Nach einer Brücke über den Sunflower River zweigte rechts die Straße nach Kinlock ab, links führte eine Piste auf ein Feld, nicht viel mehr als zwei Fahrrillen, dazwischen recht hohe Sandhügel und Gestrüpp. Das war mein Weg nach New Berlin Landing. Bei der Mietwagen-Buchung hatte ich die Möglichkeit, einen Pick-Up zu wählen. Dem konnte ich nicht widerstehen. Die Wahl erwies sich als goldrichtig – mit einem anderen Fahrzeugtyp wäre ich nur schwer vorangekommen.

Nach zwei recht abenteuerlichen Kilometern erreichte ich eine etwas breitere freie Fläche, von der auch andere Feldwege abgingen. Hier standen einige verrostende Landwirtschaftsgeräte, ein paar Holzpaletten, alte Reifen und etwas Unrat. Das Feld war abgeerntet, in drei Himmelsrichtungen erstreckten sich stoppelige Getreidestümpfe. Zwischen Feld und Fluss ein ca. 20m breiter Streifen mit Sträuchern und niedrigen Bäumen. Irgendwo hier muss New Berlin Landing mal gelegen haben.


Richard Pollard, der “Public History Coordinator“ von der Sunflower County Library hat mich bei der Recherche unterstützt und die Archive durchforstet, jedoch leider auch keine Info zu New Berlin Landing gefunden. Er meinte, dass hier ursprünglich größere Waldgebiete zu finden waren – was ja auch zu den Ortsnamen Gumwood und Elmwood passen würde. Grob ab Mitte des 19. Jahrhundert wurde mit deren Abholzung begonnen. Das Holz wurde dann über den Fluss abtransportiert, es gab Sägewerke und entsprechend Anlege- und Verschiffungsstellen. Später wurden in dem Gebiet unter anderem auch Baumwolle und Getreide angebaut und ebenfalls über die Flüsse befördert. Im Laufe der Zeit verschob sich aber der Transport zunehmend auf Straße und Schiene, die alte Infrastruktur wurde nicht mehr benötigt und verfiel bzw. wurde abgebaut und das Material für andere Zwecke genutzt.


New Berlin Landing muss eine dieser ehemaligen Anlegestellen gewesen sein. Es gab in der Gegend wohl auch einige wenige Deutsche Siedler. Ob von denen der Name stammt, ist allerdings nicht überliefert.


Ich fand keinen direkten Zugang zum Wasser, bahnte mir so gut es ging einen Weg durchs Unterholz, immer auf der Hut, mich nicht an den dornigen Zweigen zu verletzen. Mit viel Fantasie ließ sich eine Art Lichtung erkennen. Standen hier früher die Gebäude?  Ganz ans Ufer heranzukommen war nicht möglich, das Gestrüpp wurde immer dichter. Durch die Vegetation war der Fluss aber deutlich zu sehen – träge und braun von Sedimenten floss er vor sich hin. In den niederschlagsreicheren Winter- und Frühlingsmonaten tritt er bestimmt häufiger über die Ufer und überschwemmt das Waldstückchen und Teile des Feldes. Es hatte aber lange nicht mehr geregnet, die Erde war ganz trocken und aufgeplatzt. Die Atmosphäre war toll, es war windstill, die warme Luft stand schwer zwischen den Bäumen. Unter meinen Füßen knackten die trockenen heruntergefallenen Blätter. Bis auf Vogelgezwitscher und das Zirpen und Surren von Insekten war ansonsten nichts zu hören. Als ich allerdings vor mir in einer der Erdspalten zwischen Wurzeln eine Schlange entdeckte, war es für mich Zeit, zurück zum Wagen zu gehen….


Weder auf dem Feld noch am Ufer hatte ich irgendetwas gefunden, das auch nur ansatzweise auf ein Berlin hingedeutet hätte. Es schien so, als ob hier nie was anderes war als genau dieses Feld und dieses Gestrüpp. Dennoch war ich zufrieden und glücklich: Wieder ein mal konnte ich eine Ecke der Welt erkunden, in der ich bisher noch nicht war, ich habe neues gesehen und hatte eine aufregende Zeit. Ein lohnenswerter Trip, der so viel mehr war als das nicht vorhandene Berlin!

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